Interview Jan Thiel

2009

Die Altgedienten unter uns kennen ihn sowieso. Sein Name wird in der ganzen Welt mit größtem Respekt ausgesprochen. Es war einmal vor langer Zeit, und doch in unseren Gedanken noch gar nicht lange her, als er mit Martin Mijwaart und Paul Lodewijkx das berühmte Jamathi Trio formte. Jan sorgte für die "PS", Martin für einen gut steuerbaren Rahmen und Paul bediente mit viel Geschick den Gasgriff. Wie gut dieses Trio wirklich war zeigte sich am letzten Juni Samstag des Jahres 1968, als man bei der Dutch TT in Assen im direkten Zweikampf H.G. Anscheidt auf der Werks-Suzuki schlagen konnte. Paul und Martin sind leider nicht mehr unter uns, aber Jan Thiel, der Mann der seit Ewigkeiten nur auf Sandalen anzutreffen ist, ist noch da und hat nach der Jamathi Zeit für diverse große Hersteller gearbeitet, und so bekannte und berühmte Leute wie Angel Nieto und selbst Valentino Rossi haben auf Konstruktionen von Jan Thiel GP Siege und sogar Weltmeisterschaften errungen. Direkt nach Jaap Timmer, der Mister TT genannt wird, würde ich Jan Thiel diesen Titel zuerkennen, genauer gesagt Jan Thiel: Mister Zwei-Takt! Jan ist nun Pensionär, und um die ganze Geschichte noch einmal in die Erinnerung zurückzurufen, findet ihr hier ungefähr 30 Fragen, die mir Mr. Zweitakt per e-mail beantwortete!

 

1. Stimmt es, dass Sie die Tore bei Aprilia zum letzten Mal hinter sich zugezogen haben und nun zum Pensionär geworden sind?

Inzwischen ist es schon mehr als ein Jahr her, dass ich aufgehört habe zu arbeiten, mein letzter Tag war der 30.11.2007, ich hatte bereits vorher entschieden, meinen Vertrag als technischer Berater nicht zu verlängern. Schließlich muss man irgendwann aufhören, meine Frau wollte gern zurück nach Thailand, und außerdem ist die Zukunft des Zweitaktmotors sehr ungewiss geworden. Heute, nach etwas mehr als einem Jahr, denke ich, dass ich zum richtigen Zeitpunkt aufgehört habe, an einem Höhepunkt mit vier gewonnenen Weltmeisterschaften in 2006 und 2007.

2. Gehen wir zurück zum Anfang der Geschichte, wie sind Sie zum Zweiradsport gekommen?

Ich habe schon die Motorsportzeitungen gelesen, als ich noch auf die Volksschule ging, mein erstes Rennen habe ich so um 1950 herum in Zandvoort besucht, damals fanden Motorrad- und Autorennen am gleichen Tag statt. Später bin ich oft mit dem Fahrrad am Sonntag zusammen mit einem Schulkameraden nach Zandvoort gefahren. Die TT in Assen habe ich zum ersten Mal 1954 besucht, es war das letzte Rennen auf dem alten Kurs, Drikus Veer fuhr auf der Vierzylinder Gilera, herrlich! Ich träumte selber von einer Rennkarriere, wollte nicht mehr zur Schule gehen, sondern an Motoren arbeiten, um Erfahrung zu sammeln. Mein Vater war aber anderer Ansicht und wir bekamen fürchterlichen Krach, wir haben uns dann tatsächlich dreizehn Jahre nicht mehr gesehen! Ich wohnte bei meinen Großeltern und die ließen mich machen, was ich wollte. Meine Mutter habe ich nie wirklich kennen gelernt, sie war in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht, und ich wurde von ihren Eltern aufgezogen. Ein 50cc Liebhaber wurde ich, nachdem ich Cees van Dongen in Zandvoort auf seiner DMF fahren gesehen habe, ich denke es war 1955. Wir wurden später gute Freunde und sind es noch. Mein erstes Rennmotorrad war die 125ccm "Grefa" mit einem Villiers Motor, und ich selbst habe aus Mopedersatzteilen einen 50cc Renner mit HMW Zweigangmotor gebaut. Das Fahren mit der "Grefa" fand ich nicht wirklich gut und habe nie wieder ein Rennen auf ihr bestritten. Mein erstes 50ccm Rennen war 1959 in Etten, und ich kam irgendwo auf den hinteren Plätzen ins Ziel.

3. In den Anfangsjahren trafen Sie Martin Mijwaart, ein Mann mit dem sie dann viele Jahre zusammengearbeitet haben. Was war das stärkste Bindeglied, wie konnten sie das so lange "aushalten"?

Ich traf Martin zum ersten Mal beim Rennen in Rockanje 1962. Ich fuhr damals bei den Senioren, und ich denke, dass es sein erstes Rennen auf der Eigenbau-Itom war. Später traf ich ihn beim GP in Spa Francorchamps wieder, da haben wir uns länger unterhalten und zusammen das Rennen angesehen. Danach bin ich einige Male bei ihm zuhause gewesen und er auch bei mir. Wir haben dann irgendwann beschlossen zusammen zu arbeiten, das erste gemeinsame Projekt war der Umbau eines Kreidler Zylinders auf die Itom, und die lief damals ganz ordentlich hinterher. Wir arbeiteten gut zusammen, weil wir in vielen Dingen einer Meinung waren und uns auch gut ergänzen konnten, er konnte Dinge herstellen und ich konnte mir gut Dinge ausdenken. Ich habe sehr viel von ihm gelernt. Wir haben es lange miteinander ausgehalten, aber 1981 meinte er, dass seine Kinder besser in den Niederlanden zur Schule gehen sollten, und so ist er mit seiner Familie zurückgegangen, er hat dafür die Rennerei aufgegeben. Ich denke, es war damals auch nicht mehr wirklich sein Hobby.

4. In den 60ern setzte fast jeder Fahrer auf Kreidler, Sie begannen mit Martin das zu entwickeln, wovon hier die Rede sein soll, war Kreidler nicht gut genug?

1962 waren die Kreidler noch nicht so überragend! Damals gewannen auch noch die Itoms manches Rennen, und Cees van Dongen hatte eine Royal Nord mit 6Gang Getriebe, das war damals die schnellste 50er Rennmaschine in den Niederlanden. Cees und sein Vater haben uns am Anfang sehr viel geholfen, ich habe von "Opa" van Dongen auch gelernt, wie man ein Getriebe berechnet und wie man einen Schaltmechanismus bauen kann. So haben wir damals bei Andre Huige in Rotterdam Royal Nord Gehäuse gekauft und dafür ein 6Gang Getriebe gemacht und auch eine Kurbelwelle, glaube ich. Wir verwendeten einen Kreidler Zylinder mit einem selbstgemachten Zylinderkopf. Mit dieser Maschine wurde Martin dann niederländischer Juniorenmeister. Suzuki war 50ccm Weltmeister in den Jahren 1962 und 1963 und es war uns klar, dass wir auch etwas in dieser Art machen mussten, wenn wir weiter kommen wollten!

5. 1968 war die Jamathi auf einem sehr hohen Niveau, so hoch dass sie mit Paul Lodewijkx im Sattel sogar die TT in Assen gewinnen konnte. Wie sehen Sie das aus heutiger Sicht, und was geht in so einem Moment in einem vor, wenn die eigene Maschine vor heimischen Publikum die TT gewinnt?

Es kam völlig unerwartet, ich hatte angenommen, dass Anscheidt nur ein wenig mit ihm spielte, so war das erste Gefühl völliger Unglaube, dann aber eine sehr große Genugtuung. Wir haben natürlich auch enormes Glück gehabt, denn das untere Pleuellager hielt durch, dies war früher immer der schwache Punkt gewesen. Es war im Training schon zu Bruch gegangen, und eine Woche später in Spa ging es genau auf der Ziellinie kaputt. Die TT gewinnen oder Weltmeister werden sind Dinge, die dein Leben für immer verändern, es ist etwas Besonderes und bleibt es für immer. Spätere Erfolge geben einem selten mehr eine solche Befriedigung. Ich weiß aber auch noch, dass ich den ganzen Presserummel, der auf uns zukam, mit Journalisten und Fernsehauftritten, gar nicht so toll fand.

6. Was für ein Mensch war Paul (Lodewijkx), und was waren seine Stärken als Fahrer?

Paul war ein sehr feiner Mensch im Umgang und genauso seine große Familie, ich war als Kind oft bei ihm zuhause und es war immer sehr gesellig. Sein Bruder Reier war noch bei meinem Abschied in Raalte im vergangenen Jahr, das hat mich sehr gefreut! Als Fahrer war Paul vor allem sehr gut in den schnellen Kurven, und trotz seiner Größe verstand er es, sich sehr gut hinter der Verkleidung klein zu machen, auch konnte er sehr schnell neue Strecken erlernen. Angel Nieto hat mir später einmal erzählt, dass Paul der einzige Fahrer war, den er wirklich gefürchtet hat. Es ist sehr schade, dass er damals diesen Unfall gehabt hat, es war danach nie mehr so wie vorher im Jamathi Team. Aber wie sagt man: Das Leben geht weiter.

7. Sie sind ja damals einer ganz normalen Arbeit nachgegangen, und das Entwickeln und Bauen der Maschinen geschah ja nur in Ihrer Freizeit und dann noch mit einem sehr schmalen Budget, war das nicht sehr frustrierend und haben Sie nicht manchmal gedacht: "Ich höre jetzt auf damit"?

Es war finanziell gesehen schon sehr schwierig, wir arbeiteten vier Tage in der Woche, um einen Tag mehr für die Maschinen zu haben, natürlich haben wir deshalb auch weniger Geld verdient. Wir haben alles selber bezahlt und hatten deshalb außerhalb der Rennerei ein eher armseliges Leben. Kein Geld für Kleidung oder irgend einen Luxus, ich hatte auch nur ein einziges Paar Sandalen. Zum Fahren hatte ich z.B. ein Batavus Moped für einen Zehner gekauft, der Grund für den niedrigen Preis war ein gebrochenes Pleuel, an das Geld für ein Auto war damals nicht zu denken. Aber wir hatten es damals so gewollt und haben eigentlich niemals ernsthaft daran gedacht damit aufzuhören. So verkauften wir etwa am Ende der Saison die alten Rennmaschinen, um den Aufbau der Neuen bezahlen zu können.

8. Nach Ihrem Erfolg in der Weltmeisterschaft wurde das Jamathi Moped entwickelt, um etwas Geld in die Kasse zu bekommen, war das nicht eine große Belastung für ein so kleines Team, blieb denn noch genug Zeit, um die Renner weiter zu entwickeln?

Die Entwicklung des Jamathi Mopeds hat wohl mehr Nachteile als Vorteile gehabt, so konnten wir z.B. im Jahr 1969 erst im Februar mit dem Bau der neuen Rennmaschine anfangen. Das Mopedprojekt hat auch nie wirklich Geld eingebracht, wir fuhren z.B. in jenem Jahr zu den GPs nach Imola und Jugoslawien, ohne das Geld für die Rückreise in der Tasche zu haben, wir waren völlig vom Startgeld abhängig. Aber da Paul beide Rennen gewann, brachten wir mehr Geld mit nach Hause als wir bei der Abreise in der Tasche gehabt hatten. Danach haben wir einen neuen Rahmen für das Moped Jamathi Type 2 entwickelt, der dann durch eine andere Firma hergestellt wurde. Der erste Prototyp des Straßenmopeds aus dem Jahr 1968 war auch viel zu wenig getestet worden, das Moped war viel zu früh in Produktion gegangen, und es gab deshalb große Probleme damit. Aber dank der Mopedgeschichte gibt es bis zum heutigen Tag einen Jamathi-Club, und da bin ich sehr stolz darauf!

9. Wenn Sie sich an einen neuen Jamathi Rennmotor machten, wie ging das vor sich? Beruhte das dann alles auf den Erfahrungen des Vorjahres, oder wurden zuerst einmal allerlei Berechnungen am Zeichenbrett gemacht?

Es wurden schon einige Berechnungen in einer Zeichenkladde ausgeführt, ein Zeichenbrett hatten wir nicht. Die Zeichnungen habe ich meistens am Sonntag bei mir zuhause auf dem Esstisch gemacht. Das Zeichenmaterial stammte noch aus meiner Schulzeit. Ein neuer Motor entstand natürlich aus den Erfahrungen mit seinen Vorgängern, gepaart mit neuen Ideen. Natürlich hielt man auch die Augen offen, um zu sehen, was die anderen so machten!


10. Der Resonanzauspuff, ein Bauteil welches für viele Menschen bis heute noch ein Rätsel geblieben ist, es sind wohl schon tausende Auspuffe in Scheunen und Fabriken entstanden, die meisten nicht besser als das Originalteil, wie kommt man zu einem guten Zweitakt-Auspuff?

Meistens hat man ein vorhandenes Exemplar und beginnt dann zu experimentieren. Im Laufe der Jahre gewinnt man an Erfahrung und lernt, welche Folgen vorgenommene Veränderungen haben. Es ist aber ein langwieriger Lernprozess. Sehr kleine Unterschiede machen oft sehr viel aus, und tatsächlich sind zwei nach der selben Zeichnung hergestellte Auspuffe nicht unbedingt das Gleiche, ein halber mm kann schon einen spürbaren Unterschied ergeben. Auch sind auf dem Prüfstand gemessene Verbesserungen oft auf der Strecke nicht mehr wiederholbar, dies liegt häufig an den unterschiedlichen Temperaturverhältnissen. In der Garelli Zeit löste ich dieses Problem größtenteils dadurch, dass ich beim Testlauf einen Ventilator vor die Krümmer stellte und auf der Strecke später diese mit Asbestband umwickelte. In der Jamathi Zeit hatten wir keinen Prüfstand, und wir nutzen für unsere Experimente ein gerades Stück Straße, eigentlich das beste System, etwas unpraktisch allerdings, vor allem im öffentlichen Verkehr. 1970 waren wir auf dem Sachsenring, und der Motor lief im Training nicht wirklich gut. Wir wollten die Vergaserabstimmung und die Auspufflänge auf einem Straßenstück testen, was angesichts der Menschenmenge aber völlig sinnlos war. Ich habe dann einen VOPO gefragt, wo wir denn unsere Rennmaschine einmal testen könnten? Zu meiner völligen Überraschung sperrte man extra ein Straßenstück für uns, nach kurzer Zeit war die Abstimmung gemacht und Aalt (Toersen) gewann damals das Rennen mit Leichtigkeit. Was war passiert? Niedrigerer Luftdruck führte zu Leistungsverlust, dies hatte dann wieder eine niedrigere Abgastemperatur zur Folge, die Abgasschwingung verlangsamte sich dadurch und der Auspuff war somit "zu lang", wenige mm einkürzen löste das Problem! Wie wichtig der Auspuff tatsächlich ist, zeigt folgendes Beispiel: Bei Bultaco habe ich, einfach aus Neugierde, den Auspuff auf dem Prüfstand mal ganz weggelassen, die Leistung fiel von 18 PS auf........2,5PS!

11. Wie hoch war die höchste je gemessene Leistung bei einem Jamathi Motor?

Die höchste gemessene Leistung am Jamathi Motor lag bei ungefähr 15PS, gemessen auf unserem Rollenprüfstand in Breukelen im Jahr 1974, jedoch am Hinterrad gemessen. Später sind wir bei Bultaco mit denselben Motoren bis auf 19PS am Getriebeausgang gekommen!

12. Jamathi arbeitete auch zusammen mit Herman Meyer aus Laren, haben Sie mit ihm auch Informationen über das Schnellermachen von Motoren ausgetauscht?

An die Zusammenarbeit mit Herman Meyer erinnere ich mich sehr gerne zurück, er ist einer der nettesten Menschen, die ich je kennen gelernt habe. Er machte die Zahnräder für uns und auch Fräsarbeiten an den Motorgehäusen, unsere Fräsmaschine war dafür zu klein. Wir sind noch in der Bultaco Zeit mit seinen Zahnrädern gefahren, und er hat auch alle Zahnräder für den Piovaticci 125cc Twin gemacht. So wurde Angel Nieto 1976 50ccm Weltmeister mit Zahnrädern aus Hermans Werkstatt. Er ist übrigens auch Jamathi gefahren, und das kam so! Henk Vink wollte nach der TT in Assen 1970 nicht mehr, dass Leo Commu die Jamathi fahren sollte, er hatte eigentlich auch recht, denn Leo war zu groß und zu schwer für die 50er. Er wollte ihn gegen Piet van der Wal austauschen, der damals niederländischer 500ccm Champion war. Es sollten Testfahrten in Zandvoort stattfinden, und ich habe damals gesagt, dass auch ein Freund von mir an den Tests teilnehmen würde. Vink wollte das eigentlich nicht, aber er weigerte sich dann letztendlich doch nicht. So gingen wir also nach Zandvoort, van der Wal fuhr zuerst, er fuhr immer sehr schnell in die Kurven hinein, kam aber dafür ganz langsam wieder heraus. Dann kam Herman an die sec schneller pro Runde als van der Wal und lag mit seinen Zeiten nahe am Rundenrekord! Vink musste damals gegen seinen Willen zurückstecken, und Herman fuhr die Jamathi in Spa Francorchamps. Ich gehe davon aus, dass nach dieser Geschichte Vink irgendwie den Spaß an der Sache verlor, weil wir nicht genau das machten, was er wollte, und am Ende des Jahres 1971 wurde die Zusammenarbeit mit seiner Firma Bruinsma beendet. Durch all die Umstände mit dem Jamathi Moped Projekt waren wir bei den Rennern technisch etwas ins Hintertreffen geraten, und erst mit dem Wechsel zu Piovitacci machten wir wieder echte Fortschritte. Was das Suchen nach mehr Leistung angeht, gingen Herman und wir dann wieder jeder seinen eigenen Weg. Herman hätte sehr weit kommen können, aber irgendwann hatte er es scheinbar satt und hat sich anders orientiert, schade eigentlich, letztendlich muss jeder machen, was er selber will. Beim Wiedersehen mit Herman nach einer so langen Zeit kehrte auch das alte vertraute Gefühl sofort wieder zurück. Ich bin glücklich darüber, dass er das genauso sieht.

13. Ab 1970 fuhr Aalt Toersen für Jamathi, war das eine neue Stimulanz für das Team?

Damals wurde klar, dass Paul im diesem Jahr 1970 nicht fahren konnte, und so sah die Zukunft für uns ziemlich düster aus. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass Aalt sich vom Van Veen Team trennen wollte. Wir konnten auch nicht wissen, wie wenig Henk van Veen seinen Fahrern bezahlte und welche anderen Dinge da außerdem noch schief gelaufen sind. So kam es völlig unerwartet, dass Aalt für uns fahren sollte. Es zeigte sich schnell, dass eine gute Zusammenarbeit mit ihm möglich war, und auch auf der persönlichen Ebene klappte es gut mit ihm, wir sind immer gute Freunde geblieben. Ich glaube, 1970 war Aalt's bestes Jahr als Fahrer, sein Sieg in Spa nach einem sehr schlechten Start war eine fantastische Sache. Wir machten damals unsere Kolben noch selber, und das war sicher immer eine großes Handicap für uns. Ich erinnere mich, dass der Motor beim Training zur Assen TT schlecht lief, als letzte Chance haben wir vor dem Abschlusstraining einen alten gebrauchten Kolben montiert, damit fuhr Aalt circa 7 Sekunden schneller pro Runde und holte die Pole! Er ist dann im Rennen leider gestürzt. In Spa, am Sachsenring und in Brünn haben wir dann gewonnen, immer mit dem alten Kolben. Die Jamathi ist niemals mehr so gut gelaufen wie damals. Wir hatten halt einfach nicht genug Geld, um Kolben bei Mahle machen zu lassen, die Mindeststückzahl lag so bei 20 bis 30 Stück, unbezahlbar für uns! Später bei Piovaticci waren solche Dinge dann endlich machbar.

14. 1969 verpassten Sie wieder nur knapp den WM Titel, haben Sie Nieto nicht wegen seiner Fahrweise verflucht (Ulster-GP 1969)?

Nieto verfluchen? Nein, warum? So war die Rennerei nun mal, und beim Ulster Grand Prix 1969 ging es hart auf hart, sie hatten sich gegenseitig berührt und sind ja auch beide gestürzt, Nieto hatte halt mehr Glück und konnte weiterfahren. Für uns war der Traum von der Weltmeisterschaft leider ausgeträumt, aber es gab ja in dieser Saison 1969 auch noch mehr Probleme, so wurde unsere Maschine viel zu spät fertig, erst Anfang Juni, eine Folge des Jamathi Moped Projektes, das uns viel zu viel Zeit gekostet hat.

15. Nach ein paar weiteren Jahren, in denen Theo Timmer und Jan Bruins die Grand-Prix Rennen gefahren sind, war die Ära Jamathi zu Ende, wie haben Sie das erlebt?

Mit Theo Timmer haben wir gut zusammengearbeitet, aber irgendwann wollte er alleine weiter machen, und das fanden Martin und ich sehr schade. Wir haben es dann noch ein Jahr lang mit Jan Bruins probiert, aber das ist nicht so gut gelaufen, auf seiner Seite war zu viel Eigennutz mit bei der Sache. Anfang 1973 hat mich dann Jan Huberts angerufen, er fragte mich damals, ob ich mir vorstellen könnte für Morbidelli zu arbeiten. Ich habe ihn gefragt, ob es um ein Angebot für das ganze Team ginge, er sagte, dass nur ich alleine gemeint wäre. Ich habe ohne lange nachzudenken nein gesagt, weil ich die anderen nicht im Stich lassen wollte. Es hatte vorher schon ein Angebot von Minarelli gegeben, auch nur für mich alleine und das habe ich damals auch nicht angenommen. Etwa Mitte 1974 habe ich dann einen Brief an Gianni Morbidelli geschrieben und angefragt, ob das Angebot, bei ihm zu arbeiten, noch bestehen würde, weil wir mit Jamathi nicht mehr weiter machen wollten. Ich hatte außerdem eine Menge Ärger mit meinem Vater, bei dem ich damals wohnte. Auch mein Arbeitgeber stellte mich vor die Wahl, Job oder Motorsport - ich war samstags nie anwesend, aber gerade am Samstag gab es immer die meiste Arbeit. Ich habe mich ohne zu zögern für den Motorsport entschieden, das bedeutete aber gleichzeitig, dass ich von da an auch davon leben musste, sprich Geld verdienen! Aus heutiger Sicht hätte ich das viel eher machen müssen. Morbidelli antwortete, dass man schon jemand anderen eingestellt habe, aber eine Woche später bekam ich einen Brief von Hr. Piovaticci, einem Freund von Morbidelli, mit dem Angebot für ihn zu arbeiten. Morbidelli hatte unsere Anfrage weitergeleitet. Wir haben damals mit Eugenio Lazzarini in Assen gesprochen, er fuhr ja für Piovaticci, wir machten mit ihm aus, im August für ein paar Tage nach Pesaro zu kommen. Martin und ich hatten in Holland noch nie mehr als ungefähr 120 Gulden pro Woche verdient, und Piovaticci bot uns 1600 Gulden im Monat, außerdem eine kostenlose Wohnung, und vor allem konnten wir so endlich ohne finanzielle Probleme arbeiten. Der Entschluss ist mir wirklich nicht leicht gefallen, und ich habe es sehr bedauert, aber mit Jamathi weiter zu machen war einfach unmöglich geworden!

16. Bevor wir zum Thema Piovaticci kommen, möchten wir gerne wissen, was für Sie der schönste Moment der Jamathi Zeit war?

Der schönste Moment aus der Jamathi Zeit war für mich persönlich der Sieg, den Paul in Brünn errungen hat. Ganz ohne Fernsehen und Journalisten. Wir hatten ein paar echt schwierige Wochen hinter uns, aber den Motor dann doch wieder richtig zum Laufen gebracht! Wir waren in Brünn ins "verkehrte" Fahrerlager geraten, normalerweise gab es eine Trennung zwischen westlichen und Ostblockteilnehmern. Wir kamen spät in der Nacht in Brünn an und wussten das (glücklicherweise) nicht. So haben wir unsere Zelte einfach da aufgeschlagen, wo Platz war. Die nächsten Tage wurden so sehr interessant, weil wir eine Menge neuer Leute kennen lernten, und die Tschechen hatten wirklich sehr schön gemachte Eigenbaumaschinen dabei. Ich habe mich damals mit Olda Fiser angefreundet, der direkt neben uns stand, und wir blieben Freunde bis zu seinem Tod. Andere sehr schöne Momente waren natürlich der Gewinn der TT in Assen und die fantastische Siegesfahrt von Aalt in Spa, nachdem er so schlecht gestartet war. Die größte Überraschung war aber Theo's Sieg in Hockenheim 1973, Martin und ich waren schon zurück nach Holland gefahren, um neue Zylinder für das folgende Rennen in Monza zu machen. Theo rief uns aus Deutschland an und so erfuhren wir, dass er gewonnen hatte.

17. 1975 gingen Sie und Martin zu Piovaticci, wie war das, als Sie nun endlich Ihre Ideen realisieren konnten, ohne zuerst in die Geldbörse schauen zu müssen?

Am Anfang war das gar nicht so einfach, denn wir sprachen ja nicht italienisch, aber dies war nur eine Frage der Zeit. Es war natürlich fantastisch, nun endlich ausschließlich an Rennmotoren arbeiten zu können. Das erste Rennen der Saison war in Modena, wir hatten die schnellste Trainingszeit und Piovaticci feierte das mit einem Essen für ungefähr 30 Personen. Am nächsten Tag gewannen wir das Rennen mit großem Vorsprung, und das wurde wieder gefeiert. So etwas kannten wir natürlich nicht, es schien überhaupt kein Mangel an Geld zu herrschen. Wir haben aber auch hart gearbeitet, manchmal kam Piovaticci spät abends noch vorbei und brachte noch Gäste mit, so z.B. den Präsident des Motorclubs von Pesaro oder den Bürgermeister oder den Polizeichef, aber auch seinen Friseur oder mal einen Bankdirektor. Ganz Pesaro war sehr enthusiastisch beim Motorsport, es war sogar wichtiger als der Fußball. Man hörte so auch jeden Tag die neuesten Nachrichten, wenn z.B. bei Morbidelli etwas Besonderes im Gange war, wussten wir das innerhalb weniger Stunden, umgekehrt war es wohl genauso. Es war eine unglaublich schöne Zeit, die man nicht vergisst!

18. Lazzarini ist wahrscheinlich der kleinste Fahrer, der jemals auf Ihren Maschinen gefahren ist, wurde bei der Entwicklung der Rennmaschinen seiner geringen Größe Rechnung getragen?

Lazzarini war wirklich sehr klein, wir gingen zuerst nach Misano, um mit der in Piovaticci Farben umlackierten Jamathi zu fahren. Lazzarini kam nach einer Runde wieder in die Box, er kam nicht richtig an den Lenker, das Motorrad war zu lang für ihn. Wir mussten den Rahmen einkürzen, als wir das gemacht hatten, fuhr er damals gleich Rundenrekord in Misano. Martin hat damals dann auch einen neuen, zu Lazzarinis Figur passenden, Rahmen gebaut! Das war eine sehr kleine Maschine, und es war außerdem die erste 50er mit Gussrädern.

19. Im selben Jahr brachten Sie auch eine 125ccm Zweizylindermaschine (Dutch TT 1975), gab es den Wunsch, auch in der größeren Klasse Fuß zu fassen, schon immer?

Wir hatten schon eine längere Zeit über den Bau einer 125er nachgedacht, aber in der Jamathi Zeit war daran aus finanziellen Gründen nicht zu denken. Ich habe damals beim Grundentwurf leider einen großen Denkfehler gemacht und mich für einen Mittelabtrieb entschieden, weil die japanischen Rennmotoren das auch hatten. Dieser Entschluss hat uns dann jahrelang viele Nachteile eingebracht. Jörg Möller hat es damals, nach seinen Erfahrungen mit der Bridgestone von Jos Schurgers, viel besser gemacht. Ich war damals davon ausgegangen, dass eine Kraftübertragung über den seitlichen Kurbelwellenstumpf ein zu großes Risiko darstellen würde. Dieses Risiko war auch nicht aus der Luft gegriffen, denn die von Morbidelli verkauften Rennmaschinen hatten viel Ärger mit abgebrochenen Kurbelwellenstümpfen.

20. Ende 1975 musste Piovaticci die Tore schon wieder schließen, während Sie gerade begannen richtig Fuß zu fassen in der GP Szene, konnte man da nicht den Mut verlieren?

Dass Piovaticci schließen musste, war eine sehr große Enttäuschung, und ich habe immer noch nicht begriffen, was wirklich passiert ist, es ging einfach alles sehr schnell damals. Ich glaube, es gab ein Problem mit einem nicht zustande gekommenen Kredit, das Rennengagement war jedenfalls nicht der Grund. Aber Herrn Piovaticci saß auch das Geld sehr locker, so überprüfte er z.B. niemals unsere Spesenabrechnungen Die Enttäuschung war für ihn selber natürlich noch sehr viel größer, er war ja auch noch seine ganze Fabrik los, und er hat nach der Sache auch nicht mehr sehr lange gelebt. Martin und ich hatten inzwischen ein Angebot aus Spanien bekommen, um für Angel Nieto zu arbeiten.

21. 1976, ein neuer Start bei Bultaco mit Angel Nieto als Fahrer, war es nicht sonderbar, ihn nach so vielen Jahren als Konkurrent plötzlich als Fahrer im Team zu haben?

1976 fingen wir mit Nieto als einzigem Fahrer bei Bultaco an, zwei Fahrer wären auch nicht möglich gewesen. Als wir Anfang Januar zur Fabrik gingen, um unsere Arbeit aufzunehmen, war dort noch gar nichts vorhanden. Es war nicht einmal sicher, dass unser Material aus Pesaro jemals kommen würde, man hätte ja auch alles woanders hin verkaufen können, und es wurde dann auch einiges mehr an Geld verlangt als ursprünglich abgesprochen war. Erst Ende Januar kam das Material nach Spanien, und der LKW blieb noch fast eine ganze Woche beim Zoll hängen. Das erste Rennen für die spanische Meisterschaft fand Mitte Februar statt, deshalb konnten wir nicht viel mehr tun als die Piovaticci-Maschinen in Bultaco Farben zu lackieren. Es war somit auch unser erstes Rennen mit Angel Nieto, wir haben es gewonnen, der stärkste Konkurrent war Ricardo Tormo auf Kreidler. Es gab immer ein sehr gutes Einvernehmen mit Angel, da gab es nie Probleme. Ich konnte es einfach gut mit ihm, und das ist auch immer so geblieben.

22. Nieto der Fahrer ist uns ja gut bekannt, aber wie war er als Mensch, wenn er nicht auf dem Motorrad saß?

Nieto als Mensch ist schon etwas Besonderes. Er ist ganz normal und nett im Umgang mit anderen, aber er hat auch die Gabe, seine Interessen mit ganz besonderem Nachdruck zu verfolgen und geht dann nichts und niemandem aus dem Wege. So wurde er nach seinem ersten Weltmeistertitel dem damaligen spanischen Diktator Franco vorgestellt. Als dieser ihm gratulierte, bemerkte Nieto, dass er trotzdem mit dem Rennsport aufhören müsse. Als Franco fragte warum, antwortete Nieto, weil man damit nicht genug verdienen könne! Daraufhin wurde ihm sofort eine lebenslange Rente zugestanden. 1972 gewann er beim GP von Barcelona gleich zwei Weltmeistertitel an einem Tag, am nächsten Tag teilte ihm Sr. Rabassa, der Eigentümer der Fa. Derbi mit, dass sich die Fabrik aus der Weltmeisterschaft zurückziehen werde, weil noch größere Erfolge wohl nicht mehr zu erzielen wären Er riet Angel, doch am besten auch mit dem Rennsport aufzuhören. Angel fragte ihn, ob er das Telefon auf seinem Schreibtisch benutzen dürfe, im Beisein von Sr. Rabassa ließ er sich sofort mit Giancarlo Morbidelli verbinden und machte mit ihm aus Sr. Rabassas Büro heraus einen Vertrag für die folgende Saison klar! Es gäbe noch eine Menge solcher Geschichten zu erzählen, aber die Zeit würde nicht reichen. Er ist übrigens auch sehr abergläubig, wenn beim Essen im Restaurant 13 Personen am Tisch sitzen, muss einer gehen, er möchte auch nicht 13facher Weltmeister genannt werden, so ist er 12+1 mal Weltmeister geworden.

23. Ein anderer großer Konkurrent in dieser Zeit war Jörg Möller, sahen Sie sich eher als Kollegen, mit dem man spricht, oder wurde jeder Kontakt vermieden?

Mit Jörg Möller hatten wir immer das beste Einvernehmen. Zu der Zeit, als wir beide in Pesaro waren, gingen wir öfter gemeinsam essen, und er kam auch manchmal zu mir nach Hause. Wir waren auch schon mal gemeinsam bei Giancarlo Morbidelli zu Hause eingeladen, das war immer sehr schön. An einem Samstag haben wir, das heißt die Mitarbeiter der Rennabteilung von Piovaticci, die Leute von der Morbidelli Rennabteilung besucht. Danach sind wir alle zusammen mit einem Fischerboot von Morbidelli hinausgefahren, und es wurde ein Netz zum Fischen ausgeworfen. Es wurden Spaghetti gemacht, und dann kamen aus allen möglichen und unmöglichen Behältnissen Unmengen von Getränken zum Vorschein, und nach kurzer Zeit hatten wir alle mächtig einen sitzen. Ich weiß noch, dass dann ein Polizeiboot auftauchte, man durfte dort nicht fischen, es wurde dann auch eine Anzeige aufgenommen. Später, als das Polizeiboot abgelaufen war, meinte Morbidelli, kein Problem Leute, ich rufe morgen seinen Boss an....! Den Fisch, den wir gefangen hatten, lieferten wir bei einem Restaurant im Hafen ab, und später am Abend haben wir ihn dann dort alle zusammen verspeist, sehr lecker und auch sehr gesellig. Es war eine schöne Zeit dort in Pesaro, aber am Ende des Jahres war alles vorbei und wir gingen nach Spanien. Jörg ist ein Mensch, der gerne im Blickpunkt steht, aber in diesem Fach muss man auch verstehen, dass dies für diejenigen, die die Rechnungen bezahlen müssen, nicht immer angenehm ist. Sie betreiben nämlich Rennsport, um sich selbst bzw. ihre Firma bekannt zu machen. Als wir später zu Minarelli kamen, wurde uns allen schnell klar, dass das Ziel dort vor allem war, zu zeigen, dass man auch ohne Jörg Möller Rennen gewinnen konnte. Auch waren sich Jörg und Angel Nieto nicht gerade grün, sehr verständlich, denn sie standen ja beide gerne im Mittelpunkt. Ein paar Jahre später habe ich Jörg in Bologna wiedergetroffen, und wir sind zusammen essen gegangen, es war ein schönes Wiedersehen. Wir hätten beinahe sogar noch zusammen gearbeitet, bei Italjet, aber es wurde nichts daraus, weil Italjet vorher pleite ging.

24. Als Martin damals zurück in die Niederlande ging, blieben Sie alleine übrig, wie war das nach so vielen Jahren gemeinsamer Arbeit?

Dass Martin Ende 1981 zurück in die Niederlande ging, war schon einige Zeit vorher klar. Ich denke, er war bei Minarelli nie wirklich glücklich. Außerdem wollte er, dass seine Kinder in den Niederlanden zur Schule gehen sollten. Wir sind echte Freunde geblieben, und wenn ich zu Hause war, habe ich immer bei ihm vorbeigeschaut. Leider hat er nicht mehr lange gelebt. .

25. Die letzten Jahre haben Sie sich nur noch der Zweitakt-Motorenentwicklung und nicht mehr den Fahrwerken gewidmet, wie sehen Sie die Chancen, auch weiterhin jedes Jahr etwas schneller zu werden, einmal muss doch die maximale Spülung des Zweitakters erreicht sein?

Man versucht die Leistung zu verbessern, indem man kleine Veränderungen an den Einlass- und Spülkanälen vornimmt, man probiert verschiedene Formen des Auslasskanals, alle diese Teile sind CNC bearbeitet. Natürlich wird auch mit verschiedengroßen Auslasskanälen experimentiert. Trotzdem hat es in den letzten Jahren kaum noch echte Fortschritte gegeben. Der letzte große Schritt nach vorn war das elektronisch gesteuerte Powerjet, das liegt drei Jahre zurück.

26. Haben Sie sich auch mit der Entwicklung eines Zweitaktmotors mit Einspritzung beschäftigt?

Nur indirekt, es wurde für den 500er Zweizylinder gemacht und ist damals auch an der 125er probiert worden, allerdings nur auf dem Prüfstand. Es ist jedoch so, dass ein Einspritzer auf dem Prüfstand meist sehr gut läuft, ich glaube Van Veen hatte das schon 1969 im Versuch und auch Jan Eggens hat es probiert, aber das Problem kommt meistens erst auf der Strecke zum Vorschein. Cagiva hat sehr viel damit gearbeitet und hat es auch ordentlich hinbekommen

27. In welchem Bereich, denken Sie, werden in Zukunft die größten Fortschritte bei der Weiterentwicklung des Zweitaktmotors gemacht werden?

Es wird sicher möglich sein noch mehr Leistung aus bestehenden Zweitaktkonstruktionen herauszuholen. Eine variable Einlasssteuerung könnte noch einiges bringen, nicht unbedingt mehr Spitzenleistung aber mehr im unteren Drehzahlbereich und etwas unterhalb der Leistungsspitze. Auch die genaue Untersuchung der Strömung vom Gehäuse zu den Spülkanälen wird sicher noch etwas einbringen, man weiß wirklich bis heute nicht genau, was sich zwischen Kolbenunterkante und Kurbelwelle abspielt. Einen großen Schritt nach vorn könnte es durch ein anderes Spülsystem geben, Frits Overmars und Luc Foekema experimentieren z.B. an so etwas, aber das wird die Zeit zeigen!

28. Sie sind jetzt Pensionär, heißt das Sie haben sich definitiv zurückgezogen, oder können wir Sie doch hin und wieder bei dem einen oder anderen Event begrüßen?

Vielleicht gehe ich doch mal wieder zu einem Moto-GP Rennen, aber das wird wohl höchstwahrscheinlich in Malaysia sein, das ist ja nicht so weit weg von hier. Ich denke nicht, dass ich auch nach Europa kommen werde, aber man kann ja nie wissen, es sind schon viel verrücktere Sachen passiert.

29. Ok Jan, wir wollen es ja immer ganz genau wissen, aber in der Schlussfrage geht es mal um etwas anderes, was ist die sonderbarste Geschichte gewesen, die Sie in all den Jahren erlebt haben?

Ha, ha, das war, als ich einmal auf der Pole-Position stand beim Österreich Grand Prix auf dem Salzburgring. Wie das kam? Das 250er Rennen war wegen Regen unterbrochen worden, und so war der ganze Zeitplan durcheinander gekommen und niemand wusste genau, wann das 125er Rennen nun beginnen sollte. Wir sahen andere Fahrer zum Start gehen und sind dann damals auch losgezogen, gerade noch rechtzeitig! Es gab aber ein paar andere Fahrer, darunter auch Ricardo Tormo, die etwas (ca. 20-30sec) zu spät waren. Zegwaard, ein Niederländer, sagte, dass er sofort nach dem Lauf bei der Rennleitung einen Protest gegen die verspäteten Teilnehmer einlegen werde. Diese zwei oder drei Fahrer dürften nicht starten! Tormo kam sogleich zu Nieto, um ihm die Sache zu erklären, Nieto drückte mir seine Maschine in die Hand und verschwand zur Rennleitung um seinerseits zu protestieren, umsonst natürlich. Während diese ganze Geschichte im Gange war, lief plötzlich jemand mit einem Schild über den Startplatz, darauf stand: Noch 1 min bis zum Start! Da stand ich nun, etwas nervös und auf der Pole....! Zum Glück kam es doch anders, und als dann erst fünf Minuten später das Feld auf die Reise ging, durften doch alle Fahrer mitfahren. Am nächsten Tag, als alle bereits auf dem Heimweg waren, konnten wir in der Zeitung lesen, dass die Rennleitung beschlossen hatte, alle zu spät angetretenen Fahrer nachträglich doch zu disqualifizieren, eine besonders unsportliche Entscheidung der Offiziellen finde ich. Es ist doch Sport und kein Konzentrationslager! Wenn ich an diese Sache zurückdenke, werde ich noch immer richtig sauer!

Ok Jan, dann denk besser nicht mehr dran!

Jan, im Namen der motorsportbegeisterten Niederlande herzlichen Dank für das, was ihr als kleines Team geleistet und erreicht habt und was wir so genossen haben!

Wir werden Jamathi niemals vergessen!

Ben Looijen

Übersetzung: Karl Hübben